Die Nutzung von Cannabis zu religiösen Zwecken ist älter als die geschriebene Geschichte, denn Cannabis wird bereits seit Jahrtausenden in verschiedensten Religionen als “heiliges” Kraut angesehen. Anhaltspunkte für seinen Status als “heilige” Pflanze finden sich vor allem in den älteren Religionen wie Buddhismus, Shintoismus und Sufismus. Aber auch einige moderne Religionen praktizieren Zeremonien mit der Anwendung von Cannabis. Zum Teil sehen sie Cannabis als Symbol für Stärke, Reinheit und Wohlbefinden an.
Wie kommt es, dass Marihuana eine spirituelle Rolle spielt?
In den vergangenen Jahrhunderten nutzten zahlreiche Religionen Cannabis, um eine engere Verbindung zu ihren Gottheiten herzustellen. Wie kommt es aber, dass dieser Pflanze eine solch wichtige spirituelle Rolle nachgesagt wird? Dies liegt vor allem an der bewusstseinsverändernden Natur von Cannabis, welche uns Dinge hinterfragen lässt und zu einer Perspektivenerweiterung führen kann. Es hält dazu an, sich mit existenziellen Fragen zu beschäftigen. Warum existieren wir? Wie kann es sein, dass wir uns auf einem Erdball quer durch ein unendliches Universum bewegen? Wieso sind wir die einzigen Lebewesen, die zur Selbstreflexion fähig sind? Das Grübeln über solche Fragen geht Hand in Hand mit der Erweiterung unserer Kreativität. Kein Wunder also, dass Cannabis eine zentrale Rolle in der Spiritualität einnimmt.
Die Rolle von Cannabis in den Weltreligionen
Vor Tausenden von Jahren, als es noch keine Wissenschaften gab, widmeten die Menschen ihr Leben vor allem den Naturphänomenen, dem spirituellen Aberglauben und ihren Göttern. Religionen entwickelten sich als eine Basis, anhand derer die Menschheit die mysteriöse Welt um sich herum erklären konnten. Sie dienten dazu, die Gesellschaft zusammen zu halten. In vielen Glaubenssystemen spielte der spirituelle Konsum von Cannabis eine bedeutende Rolle - und das bis heute.
Im Hinduismus
Im Hinduismus spielen Spiritualität und Cannabis eine zentrale Rolle. Hindus verehren Cannabis als Sakrament, Opfergabe und Substanz, welche aus dem Blut von Shiva gebildet wird - einem Mitglied der Dreieinigkeit ihrer Religion. Auch die heiligen Schriften des Hinduismus (Veden) sprechen von der Heiligkeit der Pflanze. Cannabis wird darin als “Befreier” und “Quelle des Glücks” beschrieben. Es wird von einigen Hindus geglaubt, dass Schutzengel die Blätter der Pflanzen bewohnen. Bei hinduistischen Festen wird häufig Bhang getrunken. Es handelt sich dabei um ein Getränk, das aus Cannabis, Milch und Kräutern hergestellt wird. Dieses wird vor allem während Shivrati (der Nacht von Shiva) und dem Holi (dem Fest der Farben) konsumiert.
Im Buddhismus
Die Meinungen der Anhänger des Buddhismus sind bezüglich Cannabis Konsum gespalten. Buddhisten bauen ihren Glauben auf einer Reihe von Überzeugungen, die als die Fünf Silas bekannt sind. Die fünfte Silas verbietet die Berauschung durch Drogen und Alkohol. Eine andere Schrift spricht sich hingegen dafür aus, dass Cannabis für medizinische Zwecke verschrieben werden sollte. Die drei Hauptzweige des Buddhismus betrachten die Pflanze aus unterschiedlichen Perspektiven. Die älteste buddhistische Schule - Theravada - vertritt eine eher konservative Sicht auf Cannabis und lehnt den Konsum ab. Im Mahayana Buddhismus wird hingegen gelehrt, dass alles, was für einen Menschen von Nutzen ist, akzeptiert werden sollte. Medizinisches Cannabis wird in dieser Buddhismus Schule somit toleriert. Die Vajrayana-Schule ist dem Cannabis Konsum gegenüber am offensten. Sie ermutigen ihre Anhänger, die Essenz der Reinheit in allen Dingen zu sehen - einschließlich Cannabis. Lässt man diese gegensätzlichen Meinungen einmal außen vor, soll Cannabis bereits auf der Reise des Buddha eine Rolle gespielt haben. Dieser ernährte sich der Legende nach auf seinem Weg zur Erleuchtung - welcher sechs Jahre dauerte - von lediglich einem Hanfsamen pro Tag. Hanfsamen galten der Geschichte nach als einziges Lebensmittel, durch welches man Vollkommenheit erlangen konnte.
Im Islam
Im Islam befindet sich Cannabis in einer Grauzone. Laut dem Koran, der heiligen Schrift des Islams, werden bestimmte Verhaltensweisen, wie beispielsweise der Konsum von Alkohol strikt verboten. Der Prophet Mohammed war es, der Alkoholkonsum als haram verurteilte. Haram ist ein arabisches Wort und bedeutet in diesem Fall verboten. Von Cannabis war im Koran jedoch nie die Rede. Dies könnte allerdings daran liegen, dass die Menschen im Nahen Osten erst im Jahr 800 von Cannabis erfuhren, also zwei Jahrhunderte nachdem Mohammed bereits tot war. Mohammed sagte einst: “Wenn etwas stark berauscht, dann ist auch ein wenig davon haram”. Demnach wäre er vermutlich gegen den Konsum von Cannabis bzw. Marihuana gewesen.
Im Judentum
Der Konsum von Cannabis im Judentum ist umstritten. Israelische Archäologen konnten auf Artefakten des 8. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung Spuren des Krauts entdecken. Rabbiner der Neuzeit nehmen auch unterschiedliche Haltung zum Thema Cannabis ein. Auf der einen Seite sei Cannabis nach jüdischem Gesetz verboten, da es die Gläubigen daran hindere, rechtmäßig zu beten und die Tora - die heilige Schrift - zu studieren. Andere Anhänger befürworten hingegen den medizinischen Einsatz von Cannabis und behaupten sogar, dass es einen koscheren Status habe.
Im Christentum
Bei den Christen gehen die Meinungen ähnlich auseinander, wie im Judentum. Die konservativen Konfessionen (orthodoxe, katholische und protestantische Kirchen) kritisieren den Cannabiskonsum. Es gibt allerdings auch protestantische Zweige, die ebenfalls die medizinische Verwendung von Cannabis unterstützen. Zu ihnen gehört beispielsweise die United Church of Christ und die Episcopal Church in den USA. Einige der gelehrten Christen behaupten, dass Cannabis in der Bibel indirekt erwähnt wurde. Einige Anhänger argumentieren, Jesus und seine Jünger hätten Cannabis als Zutat in einer Heilsalbe verwendet. Bei christlichen Zeremonien in der Antike wurde außerdem häufig Weihrauch verwendet, welches Cannabis enthalten haben soll. Es gibt also auch unter den Christen Anhänger, die sich für die Nutzung von Hanf aussprechen.
Im Shintoismus
In der alten Religion Shintoismus, welche ihren Ursprung in Japan hat, genießt Cannabis ein hohes Ansehen. Indigene Völker nutzten die Hanfpflanze für die Herstellung von Körben und Kleidern. Die Samen der Hanfpflanze verwendeten sie als Lebensmittel. Das Kraut hat im Shintoismus vor allem eine spirituelle Bedeutung. Die Shintoiten glaubten daran, dass Cannabis als reinigende Pflanze die bösen Geister vertreiben kann. Priester dieser Religion verwendeten beispielsweise Cannabisbündel bei scheinbar besessenen Personen, um sie von ihren bösen Geistern zu befreien.
Im Taoismus
Der Taoismus ist eine uralte Religion aus China. Sie lässt sich etwa im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verorten. Anhänger dieser Religion fokussierten ihr Leben auf Natürlichkeit, Einfachheit und Spontaneität. Die Taoisten nahmen es sich zum Ziel, Unsterblichkeit zu erlangen. Dafür nahmen sie an spirituellen Ritualen und Reisen teil, um sich mit kosmischen Kräften auszustatten. Der Cannabiskonsum spielte dabei eine zentrale Rolle. Viele der Anhänger sahen Cannabis auch als die Verkörperung einer Gottheit. Taoistische Texte, die sich dem Jahr 570 zuordnen lassen, dokumentieren die Verwendung von Cannabis in Form von Räucherstäbchen, die vorwiegend während Ritualen eingesetzt werden, um bewusstseinsverändernde Erfahrungen zu machen.
Auch im alten Ägypten finden sich Hinweise auf die Nutzung von Cannabis
Im alten Ägypten wurde Cannabis vor allem für industrielle und therapeutische Zwecke verwendet. Wie genau die zeremonielle und religiöse Verwendung von Cannabis jedoch aussah, ist noch unklar. Bei der Untersuchung mumifizierter Pharaonen konnten Forscher jedoch bei einer Mumie, deren Alter auf rund 950 Jahre vor unserer Zeitrechnung geschätzt wird, einen erheblichen THC-Gehalt feststellen. Es konnten außerdem Cannabispollen an der Mumie von Ramses II sichergestellt werden, was definitiv für den Gebrauch der Hanfpflanze spricht.
Der Rastafarismus sieht Cannabis als integralen Bestandteil
Der Rastafarismus hat einiges mit dem Judentum und dem Christentum gemeinsam. Auch dieses Glaubenssystem bezieht sich auf die Bibel, ihre heilige Schrift. Rastas leben nach einigen zentralen Praktiken. Cannabis ist ein Element davon. Häufig wird es während den sogenannten “Erdungen” eingesetzt. Bei diesen Erdungen handelt es sich um zeremonielle Versammlungen, die dazu dienen, die Beziehungen zwischen den Anhängern zu stärken. Dabei wird beispielsweise zusammen getrommelt, gesungen und Cannabis konsumiert. Rastas betrachten Cannabis als Sakrament, das Gefühle von Frieden, Liebe, Selbstbeobachtung und die Entdeckung der inneren Göttlichkeit fördert.