Vertikale Landwirtschaft und Microgreen Anbau in der Stadt Vertikale Landwirtschaft und Microgreen Anbau in der Stadt
CBD & Hanf - Wissen & Leben | 19.01.2022

Microgreens & Vertical Farming - die Zukunft der urbanen Landwirtschaft?

Hast du schon einmal einen Obst- und Gemüseanbau gesehen, der auf wenigen Quadratmetern übereinander in mehreren Etagen wächst? Ein solches Konzept ist bereits Realität und es nennt sich vertikale Landwirtschaft (Vertical Farming). Mit der Grundidee des Urban Gardening, die dem Vertical Farming zugrunde liegt, ist innerhalb der letzten Jahre ein damit einhergehender Foodtrend entstanden - Microgreens! Worum es sich dabei genau handelt und wie Vertical Farming eigentlich funktioniert, verraten wir dir in diesem Ratgeberartikel.

Eine Einordnung der beiden Begriffe

Die vertikale Landwirtschaftwird oft mit den Begriffen Indoor Farming und Urban Farming gleichgesetzt. Eigentlich handelt es sich aber um ein eigenständiges Konzept, dass Anteile der anderen Konzepte beinhalten kann, aber nicht muss. Vertical Farming muss beispielsweise nicht zwingend in urbanen Kontexten erfolgen und um Indoor Farming handelt es sich nur dann, wenn beim Anbau komplett auf Sonnenlicht verzichtet wird.

Bei der vertikalen Landwirtschaft geht es vor allem darum, dass der Anbau an Orten erfolgt, wo Faktoren wie Temperatur, Nährstoffe, Beleuchtung, Bewässerung und Luftzirkulation ständig überwacht und angepasst werden können.

Damit verbunden ist der Sammelbegriff Hydroponics, also der Anbau von Pflanzen in geschlossenen Systemen, die mithilfe einer Nährlösung aus Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Diesem Konzept entgegengesetzt, wachsen die Wurzeln der Pflanze bei der Aeroponics Technologie hauptsächlich in der Luft. Mithilfe von entsprechend angeordneten Drüsen werden sie regelmäßig mit einer wässrigen Nährlösung besprüht.

Für die Bewässerung der Pflanzen ist das Konzept des Aquaponics sehr nützlich. Aquaponics ermöglicht eine Kombination aus der Zucht von Wasserlebewesen (Fische & Insekte) und Pflanzenanbau. Das nährstoffreiche Wasser eines Fischtanks kann nämlich ideal zur Versorgung von Pflanzen verwendet werden. Diese ziehen sich ihre benötigten Nährstoffe aus dem Wasser und reinigen es anschließend, wodurch es wieder zu einem optimalen Lebensraum für die Wasserlebewesen wird. Vertical Farming ist somit Bestandteil einer zukunftsfähigen urbanen Landwirtschaft. Eng verknüpft mit der Idee einer urbanen Landwirtschaft sind Microgreens. Diese jungen, essbaren Keimpflanzen sind im Anbau sehr unkompliziert und können daher mit wenig Aufwand auf jeder Fensterbank angebaut werden.

Was versteckt sich hinter vertikalem Anbau?

Vertical Farming bezeichnet erst einmal die kommerzielle vertikale Kultivierung von Pflanzen. Das Konzept wurde erstmalig 1999 von dem Professor Dickson Despommier an der Columbia University entwickelt und beschreibt den durch Sensortechnik kontrollierten Anbau von Nutzpflanzen. In der Praxis sieht das so aus, dass Nahrungsmittel in überdachten Räumen in vertikal übereinander liegenden Stufen angelegt und mit energiesparenden LED-Lampen beleuchtet werden. Sie wachsen dabei in wenig oder gar keiner Erde in Kästen heran, bewässert über ein Recyclingsystem. Pro Quadratmeter ergeben sich daraus höhere Erntevolumen mit einem maximalen Nährstoffgehalt.

Wusstest du schon?

Offiziell ist das wissenschaftlich ausgetüftelte Konzept des Vertical Farmings auf die 90er Jahre zurückzuführen. Die Vorteile dieser Form des Anbaus wurden jedoch schon deutlich früher erkannt und genutzt.

Nicht ganz neu - traditioneller Etagenbau & Turmgewächshäuser

Bereits vor der europäischen Kolonisierung betrieben die Indigenen Amazoniens einen solchen Etagenbau im tropischen Regenwald. Gemüsesorten und Wurzelfrüchte, darunter Maniok, Süßkartoffeln und Yams, bildeten dabei die untere Ebene. Die mittlere Ebene bestand hauptsächlich aus Sträuchern und Stauden, während bis zu 30 Meter hohe Nutzbäume, wie zum Beispiel Paranüsse, die oberste Ebene bildeten.

Ein ähnliches Konzept verfolgten auch sogenannte Turmgewächshäuser in den 1960er Jahren. Pionier dieser modernen Innovation war der Wiener Erfinder Othmar Ruthner, dessen Turmgewächshäuser bereits 1964 für die Wiener Internationale Gartenschau errichtet wurden. Bereits ein Jahr später wurde das gleiche Prinzip erfolgreich in einem Betrieb in der Schweiz übernommen.

So funktioniert Vertical Farming: die Technologien

Vertical Farming - vertikale Landwirtschaft
Vertical Farming - vertikale Landwirtschaft

Um effektiv und effizient betrieben werden zu können, benötigt das Vertical Farming eine Vielzahl von Technologien. Erst durch eine sinnvolle Kombination dieser Technologien kann das Konzept der vertikalen Landwirtschaft umgesetzt werden. Eine hilfreiche Innovation für den Anbau in den Gewächshäusern sind Gewächshauscomputer, die dazu dienen, den Pflanzen im Gewächshaus optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen. Die wichtigsten Wachstumsfaktoren werden mithilfe der Computer durch Klimatisierung, Bewässerungsautomation und Steuerung der Düngung beeinflusst. Im besten Fall werden die Computer sowie die gesamte Technik einer solchen Anlage durch Solarenergie betrieben.

Die Pflanzenhaltung erfolgt in einer sogenannten Hydrokultur. Dabei wurzeln die Pflanzen nicht wie gewohnt in der Erde, sondern in wassergefüllten Behältern. Die Bewässerung der Pflanzen erfolgt dabei durch die sogenannte Tropfbewässerung. Bei dieser Bewässerungstechnik werden an den Bewässerungsschläuchen in regelmäßigen Abständen Auslässe angebracht, sodass eine exakte und ideale Wassermenge abgegeben werden kann.

Eine weitere Technologie, die beim Vertical Farming häufig genutzt wird, ist das Kompostieren der eigenen Abfälle. Organisches Material kann somit unter Einfluss von Luftsauerstoff und Bodenlebewesen abgebaut werden. Dabei werden zahlreiche Mineralstoffe freigesetzt, die wiederum als Dünger eingesetzt werden können. Auch die Technologie der Phytosanierung kommt beim Vertical Farming zum Einsatz. Diese Technik bezeichnet die Sanierung von verunreinigten und kontaminierten Böden oder des Grundwassers mit Hilfe von Pflanzen.

Ist Vertical Farming gesund?

Vom Vertical Farming können sowohl die Landwirte, als auch die Endverbraucher gesundheitlich profitieren. Im Gegensatz zum traditionellen Ackerbau, haben Arbeiter in kontrollierten landwirtschaftlichen Umgebungen nämlich kaum gesundheitliche Risiken zu befürchten. Infektionskrankheiten, Malaria oder Bilharziose, der Kontakt mit toxischen Pflanzenschutzsubstanzen sowie die Verletzung durch Unfälle mit landwirtschaftlichen Maschinen, können in einem geschützten Raum vermieden werden. Auch für den Endverbraucher sind Produkte des Vertical Farmings unbedenklicher, da die kontrollierten Umgebungsbedingungen den Biozid- und Düngereinsatz erheblich vermindern. Zusätzlich kann bei der Pflanzenernährung die Nährstoffaufnahme und -abgabe sehr genau gesteuert werden.

Vertikaler Anbau für zuhause

Kräuter und Gemüse aus eigenem Anbau werden immer beliebter. Gerade Stadtbewohnern mangelt es jedoch häufig an einer Grünfläche, um frisches Gemüse selbst anzubauen. Inzwischen müsste dies allerdings kein Hindernis mehr sein, denn es gibt bereits verschiedenste Hersteller, die kompakte, vertikale Indoor-Farmen für zu Hause anbieten. Die vollautomatisierten Gewächsschränke sind im Durchschnitt nicht größer als ein Standard-Kühlschrank.

Microgreens: Miniatur Gemüse für zuhause

Microgreens sind junge, essbare Keimpflanzen, die etwa 2,5-7,5 cm groß sind. Es handelt sich dabei praktisch um Gemüse im Miniformat. Microgreens weisen verschiedene Geschmacksrichtungen auf, die von mild und erfrischend bis scharf und süßlich reichen. Ihre Geschmäcker sind deutlich intensiver, als die von ausgereiftem Gemüse. Der Anbau von Microgreens ist zudem sehr unkompliziert, da sie an verschiedenen Orten angebaut werden können - im Freien, in Gewächshäusern und sogar auf der Fensterbank.

Welche Gemüse- & Kräuterkeimlinge gibt es?

Microgreens können aus den Samen zahlreicher Arten von Gemüse, Kräutern und anderen Pflanzen gezogen werden. Das bekannteste Microgreen ist vermutlich die Kresse. Man kann aber auch Sonnenblumen, Grünkohl, Kichererbsen, Buchweizen, Dill, Rote Linsen, Brokkoli, Kohlrabi und viele andere Keimlinge einsäen. Für Neueinsteiger eignet sich vor allem die Anzucht von Erbsen, Rettich, verschiedenen Kohlsorten und Radieschen, da diese Sorten im Anbau besonders pflegeleicht sind.

Wie gesund sind sie?

Frisch gepflückt besitzen Microgreens eine äußerst hohe Dichte an Nährstoffen. Die Blätter sind vor allem reich an Vitamin C, welches für die Immunabwehr eingesetzt wird. Hinzu kommen verschiedene B-Vitamine sowie Vitamin A. An Mineralstoffen findet man Kalzium, Eisen und Zink, sowie wichtige Aminosäuren. Auch an grünem Chlorophyll mangelt es Microgreens nicht, welches vor allem als Immunbooster und Energielieferant gilt. Gemüsesorten aus dem Supermarkt können dem frisch geernteten Minigemüse bezüglich ihrer hohen Dichte an Nährstoffen nicht das Wasser reichen. Eine Studie des Agricultural Research Service (ARS) fand heraus, dass Microgreens bei gleichem Gewicht etwa 5 mal mehr Nährstoffe enthalten, als die Blätter von reifem Gemüse. Na wenn das kein Grund ist, sich mal näher mit dem Anbau für Zuhause auseinanderzusetzen!

Microgreens für den Eigenanbau - so funktioniert’s

Microgreens eignen sich hervorragend für den Eigenanbau, da sie relativ unkompliziert zu pflegen sind. Hinzu kommt, dass man sie praktischerweise das ganze Jahr über aussäen kann. Am besten eignen sich dafür Anzuschtschalen mit Abzugslöchern oder erdefreie Siebschalen. Im Prinzip kann aber auch jede andere flasche Schale, wie beispielsweise große Topfuntersetzer oder Auflaufformen verwendet werden. Die beliebig gewählte Schale muss man nur mit etwa zwei Zentimeter hoher feinkrümeliger Kompost- oder Anzuchterde füllen.

Darauf wird anschließend sehr dicht das Saatgut ausgesät und mit einer Sprühflasche angefeuchtet. Bei Dunkelkeimern muss man bedenken, die Schale abzudecken. Dies funktioniert beispielsweise mit einer zweiten Schale der gleichen Größe. Lichtkeimer hingegen können einfach mit Frischhaltefolie abgedeckt werden. Anschließend sollte das Saatgut auf einer warmen, hellen Fensterbank, aufgestellt werden, ohne jedoch mit direktem Sonnenlicht in Kontakt zu kommen. Nach etwa 7-14 Tagen können sie geerntet bzw. abgeschnitten werden.

Das Potential neuer Methoden der unkonventionellen Landwirtschaft

  • Platzsparend
  • Wassersparend
  • Einsparung von Transportwegen
  • Erhaltung der Nährstoffe
  • Saisonunabhänig
  • Nahezu pestizidfrei
  • Schonung der Böden
  • Sortenvielfalt

Gibt es auch eine Kehrseite der Medaille?

  • Hohe Investmentkosten
  • Hohe laufende Kosten
  • Hoher Stromverbrauch
  • Langer Weg bis zur wirtschaftlichen Rentabilität
  • Unaufmerksamkeiten können zu Schädlingsbefall führen
  • Technologische Ausfälle können zu weitreichenden Problemen führen

Moderner Anbau im großen Stil - hier findest du es bereits

Die größte vertikale Farm weltweit befindet sich derzeit in dem US Bundesstaat New Jersey. In einer ehemaligen Stahlfabrik werden dort zwölf Etagen Gemüse übereinander kultiviert. Dank dieser innovativen Technik, können in dieser vertikalen Farm auf 6.500 Quadratmetern pro Jahr über 900 Tonnen Gemüse produziert werden. Der Ertrag ist damit etwa 390 Mal höher, als im herkömmlichen Ackerbau, während gerade einmal ein Prozent der Fläche benötigt wird. Die derzeit größte Farm Europas befindet sich in England und zählt etwa 17 Etagen auf 5.000 Quadratmetern. Auch in Berlin setzt sich ein Unternehmen bereits dafür ein, kleine Vertical Farms in die Stadt zu integrieren. Noch scheint die Ressourcenknappheit in Deutschland noch nicht groß genug zu sein. Ökologisch und ökonomisch betrachtet könnte das Konzept sich jedenfalls auch bald bei uns lohnen. Hanf als Microgreenist momentan noch nicht in Deutschland zugelassen, denn der Anbau von Cannabis ist nur als Nutzhanf und unter strengen Auflagen erlaubt. Aber wer weiß - vielleicht sieht die Zukunft ja anders aus.

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von Fenja
Lesedauer: 8 min