Bei der Sitcom “Disjointed” (englisch: unzusammenhängend) ist der Name Programm, denn die Bedeutung des Seitentitels scheint sowohl auf das Kifferklischee “neben der Spur” zu sein, als auch auf den typischen Joint anzuspielen.
In der Comedy-Serie von Chuck Lorre (“Two & a Half Men”, “Mike & Molly”) geht es um die Cannabisaktivistin Ruth Whitefeather Feld, die bereits als junge Frau Anfang der 1970er Jahre leidenschaftlich für die Legalisierung von Cannabis protestierte und nun einen legalen “Coffeeshop” mit dem klangvollen Namen “Ruths Alternative Healing” in Kalifornien betreibt. Die Sitcom porträaitiert, wie Cannabis das Leben von Ruth, ihren Angestellt:innen sowie Kund:innen beeinflusst - und zeigt dabei mal mit mehr, mal weniger gelungenem Humor unterschiedliche Perspektiven des Lebens mit Cannabis auf.
Die Hauptfiguren von “Disjointed”
Der Motor der Sitcom ist die resolute Ruth Whitefeather Feld, die von der mehrfachen “Oscar”-Preisträgerin Kathy Bates verkörpert wird. Für die unkonventionelle Frau, die sich bereits seit 50 Jahren für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, erfüllt sich mit der Eröffnung ihres Coffeeshops ein Lebenstraum, den sie mit voller Kraft verteidigt. Denn Ruth ist nicht nur dauerbekiffte Ladenbetreiberin, sondern auch Schamanin und Rabbinerin.
Allerdings führt sie das Geschäft nicht alleine: Ihr Sohn Travis (gespielt von Aaron Moten), der erst kürzlich seinen “Master of Business Administration” erfolgreich bestanden hat, ist ebenfalls mit von der Partie. Mutter und Sohn scheinen dabei unterschiedliche Standpunkte zu verkörpern: Während Travis “Ruths Alternative Healing” expandieren und so viel Geld wie möglich mit dem Lädchen verdienen möchte, ist seine Mutter ganz anderer Meinung - sie weigert sich standhaft, Teil von “Corporate America” zu werden und bevorzugt es, ihr Geschäft klein, unabhängig und authentisch zu halten. Schließlich kann Ruth es schon ihrem Ex-Partner (und Vater von Travis) nicht verzeihen, dass er - ein ehemaliger “Black Panther”-Aktivist - mittlerweile als Anwalt für Pharmakonzerne (!) tätig ist.
Weitere Hauptcharaktere der Serie sind die einzelnen Mitarbeiter:innen des Cannabisladens: Zum einen wäre da der Wachmann des Geschäfts, Carter (Tone Bell), der nach seinem Einsatz als Soldat im Irak an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Außerdem gibt es noch Pete (gespielt von Dougie Baldwin), der für das erwartbare Hippie-Flair sorgt und als Meisterzüchter sogar mit australischem Akzent spricht, da dies den Cannabispflanzen angeblich zum idealen Wachstum verhelfen soll. Zu den weiblichen Hauptpersonen gehören Jenny (verkörpert von Elizabeth Ho), die ihr Medizinstudium an den Nagel gehängt hat, um bei “Ruth’s Alternative Care” zu arbeiten (ihren strengen Eltern allerdings nichts davon erzählt hat) - sowie Olivia (gespielt von Elizabeth Alderfer), deren Bruder drogensüchtig ist.
Die Kund:innen des Cannabisladens
Wichtige Nebenrollen spielen zudem die Dauerkund:innen des Ladens: Maria, (Nicole Sullivan), eine Hausfrau mittleren Alters, die vom Alltag mit ihrer Familie gestresst ist und sich nach knapp 30 Jahren wieder an einen Joint herantraut, sowie das verrückte Paar Dank (Chris Redd) und Debbie (Betsy Sodaro), das dauerbekifft auf YouTube Karriere macht und gängige Kifferklischees in höchstem Maße bedient.
So wird Cannabis in der Serie dargestellt
Bereits die ersten Minuten von “Disjointed” zeigen, dass die Serie den aktuellen Zeitgeist unterstreicht: Denn hier sind die Protagonist:innen gerade dabei, Social Media Content für “Ruths Alternative Healing” zu drehen. Cannabis wird somit als legales Mainstream-Produkt verstanden, mit dem durchaus legal Geld zu machen ist - eine Einstellung, die insbesondere durch Ruths ambitionierten Sohn immer wieder deutlich wird. Auch gibt es in dem Geschäft nicht nur Joints, sondern auch viele andere Produkte, wie beispielsweise Edibles, Zubehör und Extrakte zu kaufen, was die Pflanze noch mainsteam-tauglicher darstellt.
Ruths Perspektive fokussiert Cannabis hingegen als Medizinprodukt, das tatsächlich Heilung bringen kann. In der amerikanischen Originalversion spricht sie dabei stets von “healping” - einer Mischung aus helfen (help) und heilen (heal). Dies wird besonders im Umgang mit Wachmann Carter deutlich, dem sie Cannabis empfiehlt, um besser mit seinen Kriegstraumata umgehen zu können. Dies stellt Cannabis ebenfalls positiv dar, da sich viele Menschen natürliche und wirksame Unterstützung bei psychischen Problemen wünschen. Dieser Blickwinkel wird (leider nur im Ansatz) auch durch Kundin Maria unterstrichen: Die Hausfrau leidet an Alltagsstress, den sie durch den Konsum von Cannabis allerdings nur fast in den Griff bekommt, da sie die Wirkung der Pflanze sichtlich überfordert.
Last, but not least gibt es natürlich auch noch die Spaß-Fraktion, die von dem durchgeknallten Pärchen Dank und Debbie dargestellt wird - und vor allem den Rauschmittel-Status der Pflanze unterstreicht.
Generell kann man also sagen, dass “Disjointed” versucht, Cannabis als modernes Mainstream-Produkt darzustellen. Da allerdings viele der Charaktere, die in der Serie dargestellt werden, aufgrund ihres Cannabiskonsums völlig überdreht und nicht alltagsfähig sind, bleibt es in der Comedy bei einem nicht immer gelungenen Positionierungsversuch.
Wie kommt die NETFLIX Produktion an?
Im Großen und Ganzen waren die Reaktionen von Publikum und Kritiker:innen eher verhalten - scheinbar wurde das Ziel, Cannabis für den Mainstream sympathischer zu machen, nicht immer getroffen, während sich einige Cannabiskonsument:innen von den vielen Kifferklischeés missrepräsentiert fühlten.
Kritiken zu “Disjointed”
Die allgemeinen Bewertungen der Serie sind jedenfalls nicht allzu positiv: Kritiker:innen bemängeln die fehlende Tiefe der Handlung, den stereotypen Humor sowie die wenig ausgearbeiteten, flachen Charaktere. So schreibt das angesehene amerikanische Kulturmagazin “Vulture”: [...] "Disjointed" ist eine Serie, die ein paar kleine Risiken eingeht, sich aber meistens in die faulsten Sitcom-Klischees flüchtet. Inwieweit Sie die Serie mögen werden, hängt weitgehend davon ab, wie sehr Ihnen andere frühere Werke von Lorre gefallen haben … [...] “es ist schwer vorstellbar, dass jemand alle 20 Episoden in einer Sitzung oder sogar an einem Wochenende verschlingt.”
Unsere Meinung zur Serie
Wir fanden die Serie teils unterhaltsam, teils jedoch auch vorhersehbar, da die typischen Kifferklischees ad nauseum präsentiert wurden, was nach einiger Zeit etwas anstrengend wurde.
Auch ist es aus unserer Perspektive schade, dass Cannabiskonsument:innen größtenteils als kaum funktionsfähige Menschen dargestellt werden, was gängige, negative Meinungen über das Thema unfreiwillig wirksam unterstützt.
Gut hingegen war, dass trotzdem unterschiedliche Sichtweisen über die Pflanze und ihre Produkte zum Tragen kamen, besonders als “medizinales Kraut”.
Das sagen die Zuschauer
Die Zuschauer hingegen schienen die Sitcom nicht ganz so negativ zu bewerten - schließlich erhielt sie einen Metacritic User-Score von 72 (bei 79 Bewertungen) sowie einen IMDb-Score von 6,5 (Grundlage waren hier knapp 4000 Bewertungen).
Top oder Flop? Inwiefern beeinflusst die Serie das Cannabis & CBD Image?
Eine Serie mit dem zentralen Thema Cannabis und Cannabiskultur, die sich auf die neuesten Entwicklungen der Branche stützt, ist sicherlich eine gute Idee - und eine ideale Möglichkeit, jahrzehntelanger, negativer Cannabis-Propaganda endlich den Wind aus den Segeln zu nehmen.
In “Disjointed” wird die Pflanze von sympathischen, wenn zumeist auch ziemlich durchgeknallten Menschen konsumiert, die die Pflanze aus den unterschiedlichsten Gründen verwenden - hier wird jede:r eine nachvollziehbare Perspektive finden, sodass eine Identifikationsgrundlage mit Sicherheit gegeben ist.
Auch mögliche Gefahren des Konsums zeigen sich zumindest im Subtext (siehe Folge 2 der ersten Staffel, in der Olivia Carter von ihrem Bruder erzählt, der von harten Drogen abhängig ist, weswegen sie auch zu Cannabis keine richtige Meinung hat).
In erster Linie wird “Disjointed” das Image von Cannabis (und im selben Zuge auch CBD, obwohl dieses bekanntermaßen nicht berauschend wirkt) verbessern, da die Serie auch Menschen erreicht, die dem Thema vielleicht noch unsicher gegenüberstehen oder alten, falschen Mythen über die Pflanze Glauben schenken.
Insbesondere die Szene in der Carter, der als Kriegsveteran psychisch schwer belastet ist, zum ersten Mal Cannabis raucht - und wir als Zuschauer sehen, was in ihm vorgeht - geht durch Mark und Bein und unterstreicht die positive Wirkung der Pflanze.
Was die Serie allerdings verpasst, ist, Cannabiskonsument:innen zu repräsentieren,, die nicht jeden Tag “dauerstoned” sind, sondern einfach ihrem Alltag nachgehen UND dabei hin und wieder auch einmal Joints rauchen, Edibles geniessen oder nach einem anstrengenden Tag einen wohlverdienten Zug aus ihrer Bong nehmen. Aber vielleicht wäre dies einfach nicht witzig genug für eine Sitcom gewesen …